Die Wahrscheinlichkeit, eine Psychose zu entwickeln, ist weder für alle Menschen noch in allen Lebensphasen gleich gross (welche sind die Ursachen einer Psychose?). Manche Personen sind anfälliger als andere oder werden im Verlauf des Lebens dünnhäutiger.

Diese Vulnerabilität ist an sich kein Krankheitszustand. Sie kann sogar im Umgang und Zusammenleben mit Menschen als besondere Feinfühligkeit oder Originalität im Denken gelten. Treten aber Konflikte oder Krisensituationen (Stress) auf, dann wächst auch die Wahrscheinlichkeit, in einen psychotischen Zustand zu rutschen. Dafür gibt es erkennbare Frühwarnzeichen, die erkannt werden können. Idealerweise wird zu diesem Zeitpunkt Hilfe in Anspruch genommen, welche die Ressourcen des Betroffenen und den Umgang mit Konfliktsituationen verbessert.

Psychotische Erkrankungen können die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität anhaltend beeinflussen, vor allem bei Behandlungsverzögerungen. Studien belegen, dass eine rechtzeitige Behandlung den klinischen Verlauf dieser Erkrankungen verbessert und negative Konsequenzen wie z.B. Isolation und Arbeitslosigkeit vorbeugen kann. 

Insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es also wichtig, die ersten Hinweise auf eine Psychose rechtzeitig zu erkennen. In diesen frühen Stadien können durch gezielte Interventionen Symptome entkräftet, der Verlauf günstig beeinflusst oder der Ausbruch der Psychose gänzlich vermieden werden. Somit werden die berufliche Entwicklung und der Aufbau wichtiger Lebensbeziehungen möglichst wenig beeinflusst. 

Folgende Symptome können auf ein erhöhtes Risiko, eine Psychose zu entwickeln, hinweisen:

  • Gefühl der Entfremdung / Wesensänderung: Die Person erlebt sich selbst, andere Menschen oder die Umwelt als verändert und fremd, oder wird von anderen Leuten als verändert wahrgenommen 
  • Verändertes Denken / Sprache: Die Person kann die eigenen Gedanken nicht mehr ordnen, oder andere Leute können die Zusammenhänge im Gespräch mit der Person nicht mehr nachvollziehen
  • Wahrnehmungsänderungen: Verzerrte Wahrnehmung von Formen oder Tönen, oder Sinnestäuschungen (z.B. Geräusche, Stimmen, Gestalten)
  • Misstrauen / Ungewöhnliche Ideen: Die Person fühlt sich beobachtet oder verfolgt, neigt dazu, zufällige Ereignisse und Aussagen auf sich selbst zu beziehen, oder äussert Ideen oder Interessen, die für sie untypisch und für andere Leute nicht nachvollziehbar sind.
  • Leistungseinbussen / sozialer Rückzug: Vernachlässigung schulischer oder beruflicher Verpflichtungen, des Haushalts oder der persönlichen Hygiene, oder Rückzug von Freunden und Bekannten ohne erkennbaren Grund
  • Kognitive Störungen: Änderung in der gewöhnlichen Denkleistung der Person wie z.B. Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, Gelesenes oder Gesagtes zu verstehen, oder im übertragenen Sinne gemeinte Aussagen zu verstehen

Nein. Wie man an der obigen Beschreibung merkt, sind viele dieser Frühwarnzeichen unspezifisch. Sie können zwar eine beginnende Psychose signalisieren, dies ist aber nicht zwingend. Tatsächlich entwickelt nur eine Minderheit (etwa ein Drittel) der Menschen, die solche Frühwarnzeichen aufweisen, im Verlauf der nächsten Jahre eine Psychose. Dieses Risiko ist immerhin viel höher als in der Allgemeinbevölkerung, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Psychose etwa bei 1% liegt. Eine psychologisch-psychiatrische Abklärung in einem Frühinterventionszentrum ist deshalb sinnvoll, auch aus folgenden Gründen:

  • Regelmässige Verlaufskontrollen helfen, ungünstige Verläufe (z.B. Zunahme der Symptome) schnell zu erkennen und ihnen gegenzusteuern
  • Menschen, die Frühwarnzeichen für eine Psychose aufweisen, haben oft einen starken Leidensdruck, leiden an andere psychische Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen, oder sind an der Erfüllung ihrer schulischen, beruflichen und sozialen Rollen verhindert. Durch rechtzeitige spezialisierte Behandlung können Ressourcen mobilisiert und anfängliche Krisen entdramatisiert werden. 

Ziele der Behandlung in dieser frühen Phase sind

  • ein verbesserter Umgang mit Symptomen
  • die Reduktion psychischer Beschwerden wie Depression oder Angst
  • die Behandlung von Drogenmissbrauch
  • die Vermittlung von Bewältigungsstrategien und die Unterstützung beim Umgang mit Krisensituationen
  • die Verhinderung oder Verbesserung von Leistungseinbussen in der Schule, im Beruf und in persönlichen Beziehungen 

In den meisten Fällen sind psychologische bzw. psychosoziale Interventionen ausreichend, um eine Verbesserung der Symptome und der Lebensqualität zu erwirken. Medikamente sind nicht immer erforderlich, manchmal können aber Antidepressiva oder leichte Beruhigungsmittel zur Entlastung von depressiven oder Angstsymptomen eingesetzt werden. Antipsychotika sind in dieser frühen Phase selten indiziert, und werden in der Regel nur zeitlich begrenzt zur Stabilisierung von schnell fortschreitenden Symptomen und Förderung der Wirksamkeit psychologischer Therapien eingesetzt.